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VonJudith Mücke

Der Jenseitssog

DSCF4537Der Sog ins Jenseits ist eine ’seelische Bewegung‘, der ich oft in meiner Arbeit begegne. Wenn jemand diesen Sog hat, dann bedeutet das nicht, dass derjenige sterben möchte oder Selbstmord gefährdet ist. Ein Jenseitssog entsteht, wenn ein Teil unserer Seele aus dem Leben zieht, zu jemanden hin, der bereits gestorben ist.

Im Laufe der Jahre habe ich zwei Varianten beobachtet:

  1. Ein Mensch hat jemanden durch den Tod verloren. Das können Vater, Mutter, Großeltern, Geschwister, Zwilling, Kinder, enge Freunde und sogar Tiere sein. In der Regel gibt es eine enge oder besondere Bindung zu der verstorbenen Person oder dem Tier. In den meisten Fällen wurde sich mit dem Verlust nicht ausreichend auseinander gesetzt, Loslassen fällt schwer oder es wurde versäumt, angemessen zu trauern.

  2. Eine nahestehende Person hat einen starken Jenseitssog, wie in Punkt 1. beschrieben und da diese Person aus dem Leben zieht und gefühlt ‚verloren‘ geht, wird unbewusst seelisch (fest-)gehalten. Dadurch kann man ‚mitgezogen‘ werden.

Ein Jenseitssog gehört, wie schon erwähnt, nicht zu den seelischen Verstrickungen und Dynamiken, die uns dazu bringen können, uns selbst das Leben nehmen zu wollen. Da gibt es ganz andere Belastungen, die eher dazu führen können. Es geht hier um die Nähe zu einer geliebten Person und nicht darum, sterben zu wollen. Für die Angehörigen ist es meist ein einschneidendes Erlebnis, wenn jemand die körperliche Existenzebene verlassen hat. Können wir dies nicht gut verarbeitet, dann tragen wir den Verlust als seelische Belastung mit uns herum.

Körperlich können wir nur auf einer Ebene existieren, doch seelisch auf verschiedenen Existenzebenen sein. Zieht unsere Seele vom Körper weg, weil wir jemandem hinterher oder ihn halten wollen, dann bekommen wir in unserer körperlichen Existenz Schwierigkeiten. Wenn uns klar geworden ist, dass wir bei unserem Körper bleiben müssen, dann ist das bei dieser Verstrickung schon ein guter erster Schritt.

Viele Menschen zieht es vom körperlichen Dasein weg, hin, in lichtere leichtere und feinere Bewusstseinsebenen. Dieses Weg-wollen ist jedoch kein Sog, sondern eine anhaltende Distanziertheit, die uns lediglich davon abhält, das Leben im Irdischen vollkommen anzunehmen. Im Jenseitssog dagegen wollen wir nicht vordergründig dem Irdischen entkommen, sondern folgen der Sehnsucht nach Nähe und Verbundenheit zu einem geliebten Menschen, der sich von uns entfernt hat.

Nehme ich einen solchen Jenseitssog wahr, dann begegnen mir folgende Anzeichen und Eigenschaften:

  • die Person weiß meistens nichts davon, weil der Sog nur auf einer tiefen Gefühlsebene gefühlt werden kann und wenn er gefühlt wird, dann kann er kaum benannt oder klar eingeordnet werden

  • der Jenseitssog ist kein schmerzhaftes oder heftiges Gefühl, eher eine Art subtiles aus dem Körper gezogen werden

  • es ist ein unentwegtes unterschwelliges Wegziehen, dass dazu führt, dass uns ca. 40-60% Lebensenergie nicht zur Verfügung stehen

  • solch ein Sog wird auch als süße melancholische Schwere empfunden, die zu einem gehört, wie ein alter lieber Teddybär

  • oft liegen Traurigkeit, Verlustschmerz oder Wut oben drauf, Gefühle, die meist gut unterdrückt werden

  • im Laufe des Lebens entwickelt die Person eine besondere Anziehung oder Neigung in Bezug auf Verluste, entweder sie verlässt ständig andere Personen, wird verlassen oder sie verliert immer wieder Menschen, ohne etwas dagegen tun zu können, womit die Ohnmacht bei dieser Verstrickung sehr deutlich wird

  • die geringere Lebensenergie, mit der die Person klar kommen muss, spiegelt sich oft in Formen von Mangel wieder: Geld, Freunde, Ideen, Zeit, Erfolg, Lust …

  • es ist für eine Person mit Jenseitssog sehr schwer, sich zu binden, Beziehungen verlaufen kompliziert oder erstarren

  • im Jenseitssog kann weiterhin eine Symbiose (siehe Artikel Symbiosen) vorliegen, die zu Lebzeiten schon bestand – solche Verstrickungen reichen über den Tod hinaus

  • das Gefühl, im Leben irgendwie festzustecken

Um einen Jenseitssog lösen zu können, müssen wir herausfinden, zu wem es unsere Seele hinzieht. Dann kann ein Ablösungs- und Trauerprozess beginnen. Nicht selten möchte die Person diesen Prozess nicht durchlaufen, um die Endgültigkeit des Getrennt-Seins nicht akzeptieren zu müssen. Das kommt daher, weil der natürliche Zustand, unserer liebenden verbundenen Seele, Einheit und Nähe ist. Es ist gegen ihre Natur, sich zu trennen, sich abzuschneiden und unverbunden zu sein. Das Diesseits und das Jenseits sind wie zwei verschiedene Räume. Wir können mit dem einen (seelischen) Bein hier und mit dem anderen dort sein, doch dann sind wir in keinem Raum richtig anwesend.

Die Tür zum Jenseits steht immer offen. Für unsere Seele existiert der Tod nicht. Der Tod bedeutet nur für unseren physischen Körper das Ende. Zieht es die Seele aus dem Leben ins Jenseits, dann nimmt dieser Sog die Energie, die wir im Alltag brauchen, mit sich. Wir fühlen uns der verlorenen Person zwar näher, zahlen jedoch einen hohen Preis: ein unlebendiges und halb gelebtes Leben. Um den inneren Widerstand gegen das Getrennt-Sein zu überwinden, kann es helfen, zu verstehen, wie sehr wir uns mit dieser seelischen Grätsche schaden und wie wenig Liebe, Freude und lebendiger Seelenfrieden uns dadurch im Alltag bleibt.

Die folgenden Sätze können uns bei der Ablösung behilflich sein:

  • Ich lassen dich ziehen.

  • Ich hier und du da.

  • Ich bleibe noch ein bisschen (20/30/40 Jahre) und dann komme ich auch.

  • Ich will leben und komme zu dir, wenn ich dann auch gestorben bin.

  • Es tut mir sehr leid, dich loslassen zu müssen. Bald sind wir wieder zusammen.

  • Ich liebe dich und bleibe hier.

  • Ich will dich nicht länger halten und lasse dich jetzt gehen.

  • Ich lebe und du bist gestorben. Nun geht unsere Reise für eine Weile getrennt weiter.

Diese Sätze können so lange zu dem Verstorbenen oder zu demjenigen, den es aus dem Leben zieht, in Gedanken gesagt werden, bis keine Träne mehr fließt, kein Schmerz mehr aufsteigt, bis diese Sätze frei und leicht gesagt werden können.

VonJudith Mücke

Symbiose – Belastet durch Verbundenheit

Symbiose

Von Menschen, die symbiotisch sind, höre ich oft folgende Sätze:

  • Ich bin schon lange nicht mehr ich selbst.

  • Ich kann mich nicht fühlen.

  • Ich verliere mich in den Beziehungen zu anderen Menschen.

  • Wer bin ich eigentlich?

  • Ich kann mich nur schwer abgrenzen.

  • Kümmere mich immer um Andere.

  • Ich habe die Diagnose: Depression, Psychose, ADHS, manisch-depressiv …

  • Ich fühle andere immer mehr als mich.

  • Ich sehne mich danach, ich selbst sein zu können.

  • Ich leide unter der schlechten Verfassung (krank sein, süchtig sein, depressiv sein, hyperaktiv sein …) meiner Mitmenschen.

  • Ich fühle mich schwer, müde, handlungsunfähig und belastet, kann nicht aufhören zu weinen, bin nervös, schnell wütend, kann nicht schlafen, kann mich nicht entspannen …

  • Ich brauche Drogen oder Medikamente, um mich gut fühlen zu können.

In einer Symbiose verbinden wir uns mit dem unverarbeiteten Schicksal unserer Eltern, Großeltern oder einer anderen nahestehenden Person. Wir identifizieren uns mit ungelösten Gefühlen, erleben dann das ‚Fremde‘ (fremde Gefühle) als unser ‚Eigenes‘. Das ‚Fremde‘ nimmt den Platz unserer eigenen Gefühle ein, es überlagert sie ganz oder teilweise. Als Reaktion darauf, werden wir, je nach Temperament: schwer, handlungsunfähig, unsicher, unruhig, gereizt oder wütend. Unverarbeitete Gefühle, wie Trauer, seelischer Schmerz, Angst, Schock, Sog ins Jenseits, Schamgefühle, Schrecken oder Entsetzen (auch ein Gemisch aus diesen Gefühlen), können hier eine Rolle spielen. Diese Gefühle wurden von unseren Vorfahren nicht verarbeitet, sondern verdrängt, abgespalten oder tabuisiert. Menschen, die symbiotisch sind, verbinden sich meist unbewusst mit diesen Gefühlen und nehmen sie in sich auf.

Was ist was? – Gefühle unterscheiden lernen:

Auf der Ebene der Gefühle können wir uns das so vorstellen: wir stehen oder schwimmen in einem klaren Waldsee. Normalerweise finden wir in diesem klaren Gewässer unsere persönlichen Gefühle. Diese Wasserwesen schwimmen vorbei oder hängen an uns dran. Da gibt es vielleicht einen dicken grauen Traurigkeits-Fisch, der auf unserer Schulter sitzt, weil wir uns nach Liebe und Verbundenheit sehnen. Vielleicht grummeln auch Wut-Haie vorbei, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen. Auch fiese Verletztheits-Würmer können uns anspringen und uns mit ihren Widerhaken kratzen. Und Schuld-Quallen pfropfen sich liebend gern auf unser Herz. Aber auch Scham-Schlangen wickeln sich gern um unseren Bauch. Vielleicht hängt auch ein Trägheits-Rochen an unserem Bein. … All diese eigenen Gefühle sind für uns handhabbar und gut auszuhalten. Spüren wir sie, dann wissen wir meistens auch, warum sie da sind. Wenn wir sie festhalten, dann werden sie größer und anhaltend fühlbar. Lassen wir sie einfach da sein, dann kommen und gehen sie von allein. Kümmern wir uns verantwortungsvoll um sie, dann verwandeln sie sich in Liebe, Frieden und Lebendigkeit. … ‚Eigene‘ Gefühle sind für uns tragbar und gut zu verarbeiten. Kommen starke fremde Gefühle in unseren kleinen Waldsee, dann ist es so, als würde sich ein dicker psychisch gestörter schrecklicher Wal dort breit machen. Da gibt es dann kaum noch Platz für eigenen Gefühle, geschweige denn die Weite für Offenheit und Liebe. Wir sind dann unentwegt einer subtilen ungreifbaren Bedrohung ausgesetzt. Das macht uns gereizt, müde, taub oder dumpf und führt zu einer ständigen Überforderung …

Solange nicht erkannt und gefühlt werden kann, was das ‚Eigene‘ und was das ‚Fremde‘ ist, kann der Mensch keine Erleichterung und Heilung finden. Wenn das ‚Fremde‘ erkannt und abgelöst wurde, kann derjenige wieder zu sich selbst werden, frei und selbstbestimmt leben.

Aktive und passive Symbiose:

Ich unterscheide bei den Symbiosen zwei Formen: die aktive und die passive Form.

Bei der aktiven Form haben wir viel Empathie, Liebe und Mitgefühl für unsere Mitmenschen. Wir wollen helfen, für andere da sein, sie unterstützen und können es kaum ertragen, wenn die Menschen, die wir lieben, leiden. Unbewusst (auf der innere Kind-Ebene) klammern wir uns mit unsichtbaren Seelenarmen um den Schmerz eines Elternteils oder halten dessen verwahrlostes trauriges gestörtes und verzweifeltes inneres Kind im Arm. Wir halten das Schwere und Tragische fest, mit der Absicht, Mama oder Papa zu entlasten. Unsere Lieben sollen nicht allein sein mit ihrem leidvollen Schicksal. Wie eine schwere Tasche, an die wir mit anfassen, halten wir es fest, so dass es für den anderen leichter wird. Bei dieser Art der Symbiose, gibt es eine klare Motivation: wir wollen behilflich sein und entlasten, weil wir spüren können, wie schwer, leidvoll oder belastend es für Mama oder Papa ist, was sie/er dort mit sich herum trägt.

Bei der passiven Form, ist es etwas anders. In der normalen natürlichen seelischen Verfassung sind diese Menschen sehr sensibel, offen, neugierig, interessiert und weit. Sie spüren die Atmosphäre um sich herum, als wäre sie ‚in ihnen drin‘ und jede emotionale Regung, jeden Umschwung und jede Veränderung in dieser Atmosphäre nehmen sie ‚in sich‘ wahr. Sie nehmen die Stimmungen in sich auf, wie die Luft beim Einatmen. Eine ausgeprägte Grenzenlosigkeit auf der Ebene der Emotionen ist hier zu finden. Für sie ist es grundsätzlich schwierig, das ‚Fremde‘ vom ‚Eigenen‘ zu unterscheiden. Wurde in der Familie eines solchen Menschen, Trauer, Traumata oder Schmerz nicht verarbeitet, dann ist es bei einer passiven Symbiose so, dass diese Gefühle wie selbstverständlich aufgenommen werden, einfach weil sie in der Atmosphäre liegen. So wie Rauch eingeatmet werden muss, wenn er in der Luft liegt.

Alle ADS/ADHS Kinder, deren seelische Verfassung ich untersucht habe, waren symbiotisch mit einem Elternteil. Deshalb werden die Symptome in der Pubertät oft besser, weil sie da in der Lage sind, ihre seelische Belastung besser zu kompensieren, zu kontrollieren oder abzuspalten.

Was tun?

Menschen, die symbiotisch sind oder es ständig werden, können folgendes tun:

  1. Erkenne/spüre, mit wem du seelisch verbunden bist (in meiner täglichen Praxis spüre ich diese Verbindungen für meine Klienten mit meiner Wahrnehmung auf)

  2. Löse dich von dem fremden Schicksal (dafür habe ich ein tief gehendes Ritual entwickelt)

  3. Werde zu dir selbst (verbinde dich mit deinem Körper und heile dein inneren Kind)

  4. Lerne, dich abzugrenzen (Kriegerintegration und entwickeln einer natürlichen Autorität)

Da Kinder sich nicht auf diese Weise helfen können, weil ihre Persönlichkeit noch nicht entsprechend entwickelt ist, ist es hier wichtig, heraus zu bekommen, mit welchem Elternteil das Kind symbiotisch ist (das kann man wahrnehmen). Dieser kann dann an seinem Trauma, Schmerz usw. oder an seinem eigenen symbiotischen Verhalten arbeiten, um das Kind zu entlasten. (Auf diese Weise habe ich inzwischen mit einigen Eltern gearbeitet und die Kinder wurden ruhiger, konzentrierter, gesünder und wieder mehr sie selbst.)

Von Natur aus miteinander verbunden …

Das Wort ‚Symbiose‘ bedeutet: zusammen leben. Das hört sich ganz harmlos an. In unserem Alltag können wir ‚zusammen leben‘, ohne uns mit dem Schicksal anderer Menschen zu belasten. Das würden wir im psychologischen Sinne jedoch nicht als Symbiose bezeichnen. Das Zusammen-Leben ist auch nicht die Voraussetzung für eine Symbiose. Ich habe schon mit Menschen gearbeitet, die einen Elternteil in jungen Jahren verloren haben und trotzdem seelisch mit dessen Schicksal verwoben und dadurch beschwert waren, einfach weil sie dem Elternteil nah sein wollten.

Ich würde sagen, dass die Ursache von belastenden Symbiosen in unserer eigenen Natur liegt. Wir Menschen haben tief in uns eine natürliche Verbundenheit miteinander. In unserer Familie ist diese besonders stark ausgeprägt, jedoch zieht sich diese Verbundenheit in Wirklichkeit über die ganze Menschheit hinweg. Miteinander verbunden zu sein, ist unserer natürlicher Zustand. Erst unsere Persönlichkeit sorgt dafür, dass wir uns als getrennt von den anderen Menschen wahrnehmen und erleben. Unsere Persönlichkeit identifiziert sich, sie ist jemand, sie hat Überzeugungen, eine Geschichte, Erfahrungen, Vorlieben, Abneigungen, Prägungen, Überlebensstrategien, Schutzmechanismen, Absichten, Motivationen, Abspaltungen und Bewertungen. Das macht uns zu einer konditionierten gefestigten Persönlichkeit.

Um jedoch frei, gesund und selbstbestimmt sein zu können, braucht unsere Persönlichkeit oft einen Wandlungsprozess, der ihr hilft, in ihre natürliche Form zu kommen. Hier werden Symbiosen gelöst, alte Gefühle und Traumata geheilt, Überzeugungen in Frage gestellt und sich auf die Suche nach dem ganz ‚Eigenen‘ gemacht.

Warum werden manche Menschen (Kinder) symbiotisch und sind belastet und andere nicht?

Wer mehrere Kinder hat, der weiß aus eigener Erfahrung, dass jedes Kind anders ist. Das eine hat ein großes Herz und spürt alles, das andere ist sehr sensibel und spürt noch mehr und dann gibt es da eins, das ist so bei sich, dass die Gefühle anderer oder die Atmosphäre keinen großen Einfluss zu haben scheinen. Das sind die bodenständigen Kinder, die, mit der guten Verbindung zum Physischen. Für sie ist essen, schlafen und Körperkontakt sehr wichtig.

Wenn wir durch symbiotisches Verhalten belastet sind, dann bringen wir meist entsprechende Neigungen mit, die dies begünstigen:

  • Liebende Menschen wollen mit allem um sich herum gut fürsorglich und liebend verbunden sein. Sie erleben sich und ihre Umwelt aus dem Herzen, aus den Gefühlen heraus.

  • Sehr sensible Menschen erleben sich und ihre Umwelt aus ihrer Sensibilität und aus einer feinen Wahrnehmung heraus. Sie haben eine gute Verbindung zu den feinen geistigen Bereichen, die nicht nur Gefühle, sondern auch feinste Schwingungen und Informationen selbstverständlich mit einbeziehen.

  • Bodenständige Menschen erleben sich und ihre Umwelt vor allem aus der körperlich-handelnden Perspektive heraus und sind dadurch am wenigsten anfällig für Symbiosen.

Für Menschen, die symbiotisch sind, ist es wichtig, abgegrenzter zu sein:

  • Im körperlichen Bereich ist es am klarsten, denn dieser Bereich ist von Natur aus getrennt.

  • Im emotionalen Bereich ist es das Sich-Automatisch-Verbinden (vor allem mit Leidvollem), das Helfen-Wollen und das Entlasten-Wollen, was genau unter die Lupe genommen werden muss.

  • Und im sensitivem Bereich ist das Ankommen im physischen Körper sehr hilfreich und das verstärkte wahrnehmen des ‚Eigenen‘ notwendig, um besser abgegrenzt sein zu können.

Wir Menschen existieren natürlich in all diesen Bereichen. Wir sind geistig, seelisch und körperliche Wesen. Jeder Mensch fühlt sich jedoch zu ein bis zwei Bereichen besonders stark hingezogen, hält sich dort mehr auf. Das, was wir da bevorzugen, scheinen wir Menschen als Prägung bereits mitzubringen. Bei Kindern kann ich das oft ganz deutlich wahrnehmen.

Voraussetzung ist, es gibt etwas Belastendes in der Familie …

In Familien, in denen negative Gefühle und Traumatisierungen abgespalten, verdrängt, nicht verarbeitet und tabuisiert werden, können diese von den nachfolgenden Generationen mitgetragen werden. Abzuspalten und zu verdrängen ist für viele Menschen jedoch absolut lebensrettend und trägt zur Stabilisierung des Menschen bei. Schicksale müssen nicht verarbeitet werden. Viele traumatisierten Menschen tragen ihr schweres Schicksal mit viel Kraft und Lebenswille bis ins hohe Alter. Für die Nachkommen ist nur wichtig zu wissen: egal, was in meiner Familie passiert ist, ich bin in erster Linie dafür verantwortlich, ob mich schweres Schicksal aus der Familie belastet oder nicht.

Wir wollen von Natur aus Verbundenheit und suchen diese von Anfang an natürlich bei unseren Eltern. Fälschlicherweise identifizieren wir uns dann oft mehr mit dem, was nicht zu uns gehört, anstatt mit uns selbst. Durch das Erkennen der Verstrickung, über die Disidentifikation des ‚Fremden‘ (das, was ich da fühle, bin ich nicht), hin zur Identifikation mit dem ‚Eigenen‘, können wir wieder in ein kraftvolles, freies, gesundes und selbstbestimmtes Leben kommen.

VonJudith Mücke

Fluchtwege – vom Versuch, sich zu entkommen

dscf4552Lenken wir unsere Aufmerksamkeit überwiegend in unser äußeres Leben, dann kann es passieren, dass wir den Kontakt zu uns verlieren. Haben wir die Verbindung zu uns verloren, dann leiden wir, nehmen eine Opferhaltung ein, fühlen uns zunehmend gestresst, überfordern uns, werden müde und depressiv oder reduzieren unser Leben auf ein erträgliches Minimum. Dann kann es uns schwer fallen, Entscheidungen zu treffen, gesund zu bleiben oder innere Stärken zu leben.

Oft kommen Menschen nur durch eine große Not, Krisen oder durch Krankheit wieder in Kontakt mit ihrem Inneren. Eine andere Möglichkeit kann es sein, sich im Alltag freiwillig, immer mal wieder nach innen zu wenden.

Die Türen zur Innenwelt stehen immer offen

Sich seinem Innenleben zuzuwenden, ist im Grunde nicht schwer, denn es gibt keine Hürde, keine Sperre oder irgendein anderes Hindernis auf dem Weg nach Innen. Nur unsere eigene Vermeidung kann uns am Kontakt mit uns selbst hindern.

Der Weg nach Innen ist leicht. Wir lassen erst einmal alle äußeren Aktivitäten sein, suchen einen ungestörten Ort und kommen zu uns. Wir schließen unsere Augen, atmen tief durch und nehmen uns wahr. Wir spüren unsere Körperempfindungen, die unterschiedlichen Gefühle und können nachschauen, was in unserem Kopf so vor sich geht. Entspannen oder lassen uns tief in unseren Körper hinein sinken. Vielleicht nimmt uns jemand mit auf eine innere Seelenbilderreise. Wir können Musik auf uns wirken lassen, visualisieren Farben oder Situationen, lauschen der Stille oder sitzen einfach mit offenen Augen ruhig und aufmerksam da. Vielleicht stellt uns jemand eine Frage, berührt unseren Körper oder wir machen bewusste Körper- und Atemübungen.

All das kann uns helfen, zurück in unser innerstes Seelenleben zu finden. Entweder ganz für uns allein oder zusammen mit der stärkenden und unterstützenden Hilfe anderer Menschen. Intensivere Phasen der Einkehr über mehrere Tage oder in einer Gruppe können sehr hilfreich sein, offen zu bleiben, unsere Wahrnehmung zu schulen und uns in unseren geistig-seelischen Bereichen mehr und mehr zu Hause zu fühlen.

Beängstigend – der Schatten

Der unbewusste Teil unseres Inneren lebt ein zurückgezogenes Schattendasein. Schatten entsteht dort, wo wir den Kontakt zu uns verloren haben. Diesem zu begegnen, kann große Widerstände in uns auslösen. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nach Innen, stoßen wir vielleicht sofort auf Unruhe, diese kann zu unserem Selbstschutz gehören, aber auch auf ein Unvermögen innerer Verarbeitung und auf inneres Leid hinweisen. Wir treffen vielleicht auf viele widersprüchliche innere Anteile. Das können kindliche, trotzige, verurteilende, angriffslustige, zornige oder überhöhte Anteile sein, die alle etwas anderes wollen. In unseren geistig-seelischen Bereichen befinden sich auch die Ursachen vieler körperlicher Beschwerden. Und natürlich all die alten Verletzungen, unerfüllte Sehnsüchte oder längst vergessene Gefühle, wie Schuldgefühle, Verlorensein, Wertlosigkeit, Unverbundenheit, Traurigkeit oder Einsamkeit.

Wir können auch an gewaltige Blockaden stoßen, dort, wo wir große seelische Erschütterungen erlebt haben oder mit denen aus unserer Familie verbunden sind. Es gibt auch Menschen, die innerlich nur Leere wahrnehmen. Leere kann ein Schutz, Selbstverlust oder ein Schock sein und auf emotionale Vernachlässigung hinweisen. Alle Wesenszügen die wir wahrnehmen, ob positive oder negative, brauchen unsere uneingeschränkte Offenheit. Nur so sind wir in der Lage, sie zu integrieren, dann können sie heilen und wir uns freier entfalten.

Beeindruckend – die Sonnenseite

Unser Innenleben hat auch noch eine ganz andere Seite. Wir können viele Fähigkeiten und Begabungen darin entdecken. Vielleicht erleben wir, wie viel Liebe in uns steckt oder dass uns nichts wirklich schockieren kann, weil unsere Seele alt, erfahren und weise ist. Da kann eine große Verantwortungsbereitschaft auftauchen und ein starkes Mitgefühl zu spüren sein. Vielleicht nehmen wir wahr, wie sensibel unser Feingefühl unsere Umgebung abtasten kann, wie kraft- und lustvoll unsere Lebendigkeit ist, wie genau unsere Beobachtungs- und Organisationsgabe ausgeprägt ist, wie intelligent wir Informationen vernetzen können und vielleicht entdecken wir eine zutiefst liebende Verbundenheit mit unseren Mitmenschen. Es kann sich auch ein ausgeprägtes Gespür für Stimmigkeit oder ein intensiver Gerechtigkeitssinn zeigen. Unsere Genussfähigkeit kann von uns gefunden und gelebt werden und unsere Kreativität legen wir ebenfalls durch Selbstbesinnung frei.

Und ganz tief in uns, jenseits vom Denken, Fühlen und jedem körperlichen Ausdruck, existiert unser tiefstes Wesen. Unser Ursprung, die Quelle unseres Daseins und unserer Kraft, reines Bewusstsein, eine intensive uneingeschränkte Energie, die formlos und unvergänglich ist. Da sie das ist, was wir in Wirklichkeit sind, können wir sie nicht verlieren, müssen uns aber auch nicht um sie bemühen. Das Selbst kann sich in dieser Welt nicht manifestieren. Hier, in dieser Welt, wird es immer nur in irgendeiner Form wahrnehmbar sein. In der Form suchen wir oft nach unserem Selbst, doch wir werden es dort nie finden. Im Zustand des Selbstes sind wir das Höchste. Alles ist in uns, doch wir bleiben jenseits davon. Hier endet unsere Reise ins Innere. Das Selbst kann uns berühren, wenn wir bereit sind und dann gehen wir darin vollkommen auf.

Guten Morgen äußere Welt!

Das äußere Leben können wir wie einen Film betrachten, der am Morgen beginnt und am Abend endet. Wenden wir uns diesem Film zu, dann sorgen wir dafür, dass es Frühstück gibt, putzen Zähne, duschen und denken dabei unentwegt vor uns hin, wir hören den Kindern zu, unterhalten uns, arbeiten, gehen einkaufen, halten Haus und Garten sauber, treffen Freunde, machen Sport, fahren von A nach B, wir folgen unseren Ansprüchen und Vorstellungen, funktionieren und erfüllen all die Bedürfnisse und Wünsche, die in uns immer wieder nachwachsen.

Und wenn uns das alles zu viel wird oder wir einfach nur runter kommen wollen, dann zerstreuen wir uns, lenken uns ab, putschen uns auf oder betäuben uns. Wenn unserem Geist-Körper-System unsere Lebensweise zu viel wird, dann versucht es sich durch Krankheit, Zurückgezogenheit, Verdrängung, Ablehnung und Schwere wieder zu stabilisieren. Auf diese Weise entwickeln wir Süchte, Abhängigkeiten und produzieren unbewusst all die inneren und äußeren Zustände, denen wir eigentlich entkommen wollten.

Haben wir Beziehungen, die schwierig und unglücklich verlaufen, dann haben wir nicht gelernt, eine gute tiefe Beziehung zu uns selbst aufzubauen. Automatisch treffen wir dann Menschen, die ebenfalls keine tiefere Bindung zulassen können. Zudem projizieren wir unseren Schatten auf den Gegenüber und bekämpfen oder lehnen ihn im Anderen ab. Oft versuchen wir in unseren Beziehungen etwas zu bekommen, das uns fehlt. Doch dafür sind Beziehungen nicht geeignet. Denn wenn ein Mensch versucht, den Mangel eines anderen zu beseitigen, dann geht er weg von sich oder opfert sich auf. Wenn wir aufgefüllt oder vervollständigt werden wollen, dann hilft nur die Verbundenheit zu uns selbst. Wenn wir andere auffüllen oder vervollständigen wollen, dann ist das ebenfalls ein Zeichen dafür, dass uns die Verbindung zu unserem Inneren abhanden gekommen ist.

Benutzen wir unser äußeres Leben, um unserem Innenleben zu entkommen, dann geht es uns irgendwann schlecht und wir werden krank, weil wir uns immer weiter von unserer Lebenskraft entfernen. Wenden wir uns regelmäßig bewusst unserem Inneren zu, dann werden wir selbstbewusster, konzentrierter, leben gesünder, sind fürsorglicher mit uns und lösen Probleme nachhaltig, und zwar: von innen nach außen. Wenn wir nicht mehr fliehen, ausweichen oder uns fürchten müssen, dann können wir uns als Quelle wunderbarer Kräfte wahrnehmen. Dann sind Beziehungen für uns die Gelegenheit, uns mit uns selbst zu befassen, um Abgetrenntes zu integrieren, etwas zu lernen, zu reifen und den Weg zu unserem Selbst frei zu räumen. Dann dient uns unser äußeres Leben dazu, unsere Fähigkeiten und Begabungen weiterzugeben, wodurch sie immer intensiver werden, uns erfüllen und uns andauernd aufs Neue bei uns ankommen lassen.

VonJudith Mücke

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar (Fallbeispiele)

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Hier drücken, um das Büchlein zu öffnen: 

Fallbeispiele aus dem Jahr 2013

Bitte gern auch ausdrucken und verschenken!

VonJudith Mücke

Schuldgefühle – die treibende Kraft ins Unglück

DSCF4051Schuldgefühle sind sehr verbreitet, fühlen sich äußerst unangenehm an, machen unklar, inkonsequent und aggressiv.

In meiner Arbeit konnte ich beobachten, dass Schuldgefühle immer dann entstehen, wenn unsere Persönlichkeit den sogenannten „grünen Bereich“ der Seele verlässt:

  • wenn wir die Liebe zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen verloren haben,

  • wenn wir uns vom Leben abwenden,

  • wenn wir etwas (nach unserem persönlichen Wertesystem) negatives und falsches tun und uns dafür abwerten,

  • wenn wir uns von etwas, was wir lieben, absichtlich abgeschnitten haben,

dann fühlen wir uns: verkehrt, ungenügend, elend, bedrückt oder einfach falsch und schlecht.

Der „grüne Bereich“ der Seele ist: Einheit, Vollkommenheit, Harmonie, Liebe, Kreativität, Wohlwollen, Freude und Wahrheit.

Da wir uns natürlich nicht ständig im „grünen Bereich“ aufhalten, also nicht unentwegt in liebender Annahme und in wertfreier Verbundenheit mit alledem sind, was in uns und um uns herum geschieht, ist ein gewisses Level an Schuldgefühlen, mit denen wir zu ringen haben, mehr oder weniger normal.

Vor allem Eltern leiden chronisch darunter, da sie ihre Kinder zutiefst lieben und natürlich nicht frei von Fehlern sind, aber auch Kinder aus Familien, in denen schwere Schicksale nicht verarbeitet wurden. Hier ist es meist unmöglich, die Liebe, welche eine Familie verbindet, lebendig zu leben, was für unsere Schuldgefühle der beste Nährboden ist. Wenn nun noch beide Komponenten zusammen kommen, können sich Schuldgefühlen besonders gut ausbreiten.

Es liegt in unserer menschlichen Natur, zu bewerten, zu verurteilen, anzugreifen, uns zu trennen, abzuwenden und zu wehren. Wenn wir dann Schuldgefühle bekommen, uns schlecht, bedrückt und mies fühlen, dann wollen uns diese Gefühle eigentlich nur sagen:

Achtung, Achtung! Hier wurde gerade der grüne Bereich, also die für deine Seele ordnungsgemäße Zone, verlassen! Achtung, Achtung aufpassen!“

Wir Menschen neigen ständig dazu, die „ordnungsgemäße Zone“ der Seele zu verlassen. Was übrigens kein Fehler ist, sondern eher als eine Spielart oder eine Art Farbe des menschlichen Daseins betrachtet werden kann und absolut in Ordnung ist. So, als würden wir in eine tiefe Schlammpfütze treten. Es ist eine Erfahrung. Wir müssen ja nicht darin stehen bleiben, sondern können den Fuß wieder heraus ziehen.

In Bezug auf das Sich-schuldig-fühlen scheinen wir Menschen jedoch gern auch noch den zweiten Fuß dazu zu stellen, dann Ausschau danach zu halten, wer den Schlamm dahin gemacht hat, um dann noch tiefer im Schlamm zu versinken und zu leiden.

Anstatt etwas zu lernen, anders zu machen, gut mit sich zu sein und fröhlich weiter zu machen, werden wir hart, gnadenlos und stecken beleidigt im Leben fest.

Schuldgefühle sind Warnschilder, die sagen: „Moment mal, hier stimmt was nicht!“

Sobald wir Schuldgefühle haben, versuchen wir instinktiv und blitzschnell, anderen die Schuld zu zu schieben bzw. suchen nach der Schuld oder dem Schuldigen außerhalb von uns, um uns von der Bürde all unserer Schuld zu befreien.

Menschen, die sich schnell schuldig fühlen, kennen ausgeprägte Schuldgefühle schon seit ihrer Kindheit. Sie konnten immer spüren, dass in der Familie etwas nicht stimmt und haben sich irgendwann selbst die Schuld dafür gegeben. Kinder sind jedoch immer unschuldig. Sie kommen mit einem gesunden Liebesfluss in ihre Familien und stoßen dort dann auf Grenzen und Blockaden. Da sich kleine Kinder nicht getrennt von ihren Eltern wahrnehmen, weil sie noch keine abgegrenzte Persönlichkeit haben, erleben sie die vorgegebenen Grenzen als das Eigene: selber Schuld! Oder als die eigene Blockade, die sie jahzehnte lang versuchen zu lösen, obwohl das nicht geht.

Wie eine Liebes-Welle, die unaufhörlich an einen Felsen brandet, um sich mit ihm zu verbinden. Oder sie umhüllt und umspühlt ihn, wie das in einer Symbiose der Fall ist, doch der Felsen bleibt ein Felsen. (Felsen=Trauma aus der Familie)

Wenn wir nicht gelernt haben, konstruktiv mit Schuld umzugehen, dann verzweifeln wir an ihr und beginnen, meist unbewusst, uns zu bestrafen und Buße zu tun, indem wir uns schlecht behandeln, scheitern und uns selbst aufgeben. Dies stellt immer den Versuch dar, ein „negatives“ Geschehen wieder gut zu machen. Für unsere Seele bedeutet dies intensives Leid. Für unsere Persönlichkeit fühlt sich das aber „richtig“ an.

(Selbst-) Bestrafung kann jedoch nur als vorübergehende Entlastung empfunden werden, da sich Schuldgefühle hier schnell wieder breit machen. In Wirklichkeit sinken wir durch Strafe immer tiefer und tiefer in einen leblosen und beladenen inneren Zustand. Wiedergutmachung ist eher etwas, das solche Situationen umwandeln kann. Nach dem Motto: Was kann ich Gutes tun, dass sich beteiligte Personen und ich mich wieder besser fühlen?

Buße, Leid und Angriffsbereitschaft sind sichere Wege, um unsere Schuldgefühle zu vermehren und zu vergrößern, anstatt sie aufzulösen. Es ist so, als würden wir die Warnschilder umfahren oder drumherum laufen, um direkt in einen tiefen Abgrund zu sausen oder im Dreck einer großen Baustelle zu landen.

Die beste Art, sich von Schuldgefühlen zu befreien, ist die, sich wieder in den Bereich der Liebe, der Verbundenheit und der Wahrheit dessen, was jetzt ist, zu begeben. Im liebenden Kontakt mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen schmelzen Schuldgefühle, wie Schnee in der Sonne. Fehler, Ausrutscher und alle Unvollkommenheiten der Welt gehören dann einfach zu unserem Leben dazu und wir benutzen sie nicht mehr, um es uns noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon ist, sondern um zu lernen, zu wachsen und zu reifen.

Fühlen wir uns schuldig, dann können wir zu uns selbst sagen:

Es tut mir leid, dass ich so oder so mit mir/dir war, dass ich mich/dich in diese oder jene Situation gebracht habe oder auch irgendetwas unterlassen habe. Es tut mir leid, dass ich nichts tun konnte oder nicht da war. Es tut mir leid, dass ich mich/dich nicht so nehmen kann, wie ich bin/du bist. Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war oder mich im Ton vergriffen habe oder mich/dich nicht beschützen konnte oder mich/dich verletzt habe …“ Das befreit.

Denn durch ehrliches Bedauern, Mitgefühl und Annahme dessen, was war und ist, lösen sich Schuldgefühle in Liebe auf. Dann wird meistens die Traurigkeit spürbar, die entstanden ist und manchmal auch Wut, die durch Selbstangriffe hervorgerufen wird.

 

VonJudith Mücke

Denkst du oder bist du dein Denken? Ein Weg aus der Grübelei.

DSCF6580In meinem Kopf spricht eine Stimme. Wache ich am Morgen auf, dann höre ich schon die ersten Worte. Ob ich das will oder nicht. Es passiert einfach. Je wacher ich werde, desto munterer wird auch die Stimme in meinem Kopf. Sie denkt einfach drauf los, debattiert, listet auf, unterhält sich mit Menschen, die nicht anwesend sind, sie analysiert, hält Reden, wälzt Probleme, gibt wichtige Einschätzungen ab und kreist in immer den selben Schleife. Bunte Filme und lebendige Szenarien untermalen das Ganze noch. Am Abend, wenn ich Ruhe suche, redet die Stimme in mir einfach weiter, worüber ich dann irgendwann einschlafe oder gar keinen Schlaf finde, weil sie mich einfach wach hält.

Die Stimme in meinem Kopf reagiert automatisch auf all das, was um mich herum oder in meinem Körper passiert. Sie scheint in mir ein Eigenleben zu führen. Gern schnappt sie sich das Gespräch von vorhin, eine Situation, die ich erlebt habe, den Spielfilm von gestern, Konflikte meiner Mitmenschen, etwas, was ich gelesen oder etwas, was ich einfach eben beobachtet habe und denkt daran herum. Sie greift nach allem, was sie kriegen kann, egal, ob es mich etwas angeht oder nicht, ob es mich weiter bringt oder nicht, ob es mir gut tut oder nicht oder ob es mich wirklich interessiert oder nicht. Da ist sie nicht sehr wählerisch und wiederholt pausenlos alle möglichen Informationen. Dabei merkt die Stimme in meinem Kopf jedoch nicht, ob das, was sie da permanent behauptet, auch langfristig gut für mich ist, mich zufrieden und glücklich macht oder mich gesund erhält, denn dafür besitzt sie kein Sensorium.

Die Stimme in meinem Kopf existiert nicht, weil ich sonderlich verrückt bin, sondern weil es unter meiner Schädeldecke ein Gehirnareal gibt, durch das ein ständiges Vor-sich-hin-denken geschieht. Nur wenn ich mich auf etwas konzentriere, mich ablenke, meditiere oder schlafe, dann wird diese Aktivität weniger oder verschwindet gänzlich. Oft bin ich aber mit all diesen Gedanken so eng identifiziert, dass ich gar keinen Abstand mehr zu ihnen habe, also regelrecht zu ihnen werde. Dann denke ich nicht nur, sondern bin das Denken.

Lasse ich die Stimme in meinem Kopf also permanent allein vor sich hin denken, dann ist sie in der Lage, völlig nutzlose Gedankenberge zu produzieren und Lebensumstände aufrecht zu erhalten, die mir sogar schaden und mich unglücklich machen können.

Da ein einsamer Verstand zu Grübelleien neigt und sinnloses Denkmaterial anhäufen kann, habe ich angefangen, mich mit der Stimme in meinem Kopf zu unterhalten. Ja, das hört sich etwas verrückt an, aber wenn ich der Denkerei in mir zuhören kann, dann kann ich sie doch auch ansprechen. Auf diese Weise ist die Stimme in meinem Kopf jedenfalls nicht mehr so auf sich gestellt und kann von mir eine Orientierung bekommen. Vor allem dann, wenn sie sich mal wieder an irgendwelchen Ereignissen festgebissen hat, die schon längst vergangen sind und nur durch mein pausenloses gedankliches Wiederholen am Leben erhalten werden.

Ich spreche die Stimme in meinem Kopf immer mal kurz an, sobald ich merke, dass sie:

  1. über etwas nachdenkt, was mich nichts angeht,

  2. etwas, das ich nicht ändern kann,

  3. etwas, das nicht in meiner Verantwortung liegt,

  4. etwas, das mir Unwohlsein und Angst macht,

  5. etwas, das mich sorgenvoll werden und zweifeln lässt,

  6. etwas, dem keine Handlung folgen kann

  7. oder etwas, das mir der realen Situation, dem momentanen Augenblick, nichts zu tun hat.

Dann sage ich zu ihr: „Hallo, du da oben – lass das mal.“ oder „Was machst du da?“ oder „Warum denkst du über Dinge nach, auf die ich keinen Einfluss habe?“ Während ich mich selbst anspreche, bin ich plötzlich viel näher bei mir. Die Stimme in meinem Kopf wird sofort still. Es entsteht eine Gedankenlücke. Dann sage ich, dass ich mit dem, womit sie sich gerade beschäftigt, nicht einverstanden bin, weil ich es nutzlos finde oder es mich einfach nichts angeht. Oder ich sage, dass ich sie für etwas anderes brauche, zum Beispiel, um den Tag zu planen.

Falls die Stimme in deinem Kopf sich angewöhnt hat, dich runter zu machen, dich abzuwerten oder dir einzureden, dass du wertlos bist oder ein falsches Leben führst, dann beginne, dies bewusst wahrzunehmen und mache ihr einfach immer wieder klar, dass dies nicht wahr ist. Leider ist es so, dass, wenn du deinem Denken die Freiheit gibst, dich lange genug angreifen zu können, du dich tatsächlich so fühlen und dies auch immer wieder von außen bestätigt bekommen wirst.

Neben den Inspirationen, die ich der Stimme in meinem Kopf geben kann, stelle ich ihr auch gern Fragen. Ich frage sie dann, warum sie jetzt unbedingt ein Gespräch weiter führen muss, das bereits beendet ist. Oder, warum sie eine Begegnung durchspielt, die morgen erst stattfinden wird. Oder ich frage sie, ob ich ihr dabei helfen kann, konstruktiver darüber nachzudenken, so dass es mir von Nutzen ist. Ich helfe ihr auch mit Fragen, wenn es etwas Wichtiges zu vertiefen gibt. Vor allem aber versuche ich sie immer davon abzuhalten, sich mit Dingen zu beschäftigen, die mich nichts angehen und die ich nicht in der Hand habe, also wo ich nichts bewirken kann. Auch von Situationen, die bereits passiert und somit nicht mehr zu ändern sind.

Wenn unser Denken zu stark und zu intensiv wird, dann führt das dazu, dass wir distanziert werden, uns selbst nicht mehr spüren oder unbemerkt schlechte Gefühle erzeugen. Inneres Unwohlsein löst widerum Grübelleien aus. Es ist hilfreich, zu lernen, das Denken dienlich und effektiv einzusetzen, anstatt regelrecht darin zu verschwinden.

Neben der Unterbrechung des Gedankenstromes und dem freundschaftlichen Dialog, der meine Gedanken immer mal einnordet, bin ich am liebsten mit intensiver Wachheit und großer Aufmerksamkeit einfach bei mir selbst, was meinen Geist so beruhigt, dass sich sowieso keine Gedanken halten können.

Beobachtend, wahrnehmend und präsent sein – das ist es, was deinen Verstand zur Ruhe kommen lässt. Durch wache Anwesenheit kann sich kein Gedanke in deinem Kopf festsetzen. Dann ist es still in dir. Eine friedlich lebendige Stille. Aus ihr können Gedanken auftauchen und wenn du dich nicht weiter mit ihnen beschäftigst, auch ganz mühelos wieder verschwinden.

VonJudith Mücke

Ich bin du – sich selbst im anderen erkennen

DSCF4588Wenn du auf das Verhalten, auf die Reaktionen und auf die Lebensweise deiner Mitmenschen schaust, dann blickst du immer in einen Spiegel. Du siehst dich selbst darin. Vieles davon lässt dich ruhig bleiben, einiges regt dich auf. Besonders aufschlussreich ist hier all das Benehmen, das du bei anderen ablehnst, das dich abstößt oder auch besonders anzieht, eines, das du vielleicht sogar bewunderst.

Schaust du kritisch und abwehrend auf deine Eltern, Freunde, den Partner oder auf deine Kinder, dann verurteilst du dich selbst in ihnen. Normalerweise denkst du vielleicht, dass du tatsächlich den anderen meinst, doch in Wirklichkeit stehst du vor einem großen Spiegel, der dir lediglich zeigt, was du an dir selber nicht wahrhaben möchtest, was du nicht annehmen kannst oder was du nicht sein willst. Das kann etwas negatives, aber auch etwas positives sein.

Um dich selbst in dem anderen erkennen zu können, brauchst du eine große Entschlossenheit, dich selbst wirklich entdecken zu wollen. Denn wenn du dir tatsächlich deiner selbst gewahr wirst, kann es sein, dass dir das Angst machen wird, dein bisheriges Selbstbild zerstört, du enttäuscht bist oder nicht glauben kannst, wie groß und wundervoll du in Wirklichkeit bist.

Dich in deinem Gegenüber zu spiegeln, kann dir jedoch helfen, vor allem das, was in deinem Unterbewusstsein schlummert, ans Tageslicht zu befördern. Das Unterbewusstsein ist kein verschlossener geistig-seelischer Ort. Es ist ein Bereich, dem wir einfach nur permanent den Rücken zukehren, ihn ignorieren und so tun, als gäbe es ihn nicht. Je stärker wir Teile von uns selbst verborgen halten wollen, desto intensiver spiegeln uns das unsere Mitmenschen, vor allem die, die uns sehr nahe stehen. In dem Moment, in dem wir uns dem Unterbewussten bewusst zuwenden, hinschauen, hin spüren, lauschen und offen sind für uns selbst, offenbart es sich uns auch sofort. Halten wir Nase, Ohren und Augen zu, dann bekommen wir eben nichts mit.

Öffnen wir uns dafür, uns in unseren Mitmenschen selbst wahrzunehmen, dann können wir viele interessante Erkenntnisse gewinnen und unser natürliches Selbstbewusstsein kann wachsen, was dazu führt, dass wir uns zunehmend sicherer, klarer und glücklicher fühlen.

Ganz praktisch funktioniert das so:

  1. Du bemerkst, dass du eine Person ablehnst oder besonders toll findest.

  2. Du formulierst für dich, was es genau ist, das dich abstößt oder anzieht.

  3. Du gehst in dir auf die Suche nach dem, was damit weitestgehend übereinstimmt.

  4. Du stellst fest und spürst: das ist auch bei mir so, das mache ich ganz genauso … usw. – der Moment der Selbsterkenntnis ist zwar nicht immer der angenehmste, aber er befreit dich aus dem Gefängnis des Unbewusstheit und das kannst du sofort spüren.

  5. Erkenne, dass das, was du da entdeckt hast lediglich ein Ausdruck von dir ist, der sich verändert, wenn du ihn lässt. Oder es ist eine alte Erinnerung (Schmerz, Verlustangst, Minderwertigkeit), die sich auflöst, wenn du sie fühlst. Ändere gegebenenfalls dein Denken oder Handeln.

    Beobachte, wie die Spiegelung langsam verschwindet. Das ist ein bemerkenswertes Phänomen.

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VonJudith Mücke

Selbstliebe

IMG_1447Die Liebe zu dir selbst kann unterschiedlichste Formen annehmen. Du kannst fürsorglich mit dir sein, dich selbst annehmen und dich bewusst wert schätzen. Du kannst achtsam mit dir sein und versuchen, so gut es geht, dir deine Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen.

Oder du bist ganz präsent und wach, während du einfach so bist, wie du eben bist.

Du kannst im Grunde nur so sein, wie du bist. Anders geht es nicht. Und egal, wie du gerade bist, es ist in Ordnung. Ist da Unruhe, dann ist das in Ordnung. Ist da ein Gefühl von Einsamkeit, dann ist das in Ordnung. Auch deine selbst abwertenden Gedanken sind in Ordnung. Kommst du nicht in die Gänge, ist das in Ordnung. Isst du zu viel, ist das auch in Ordnung. Bist du unruhig, einsam, fies zu dir selbst, zu nichts in der Lage und hasst dich obendrein dafür, dann ist das auch in Ordnung. Du bist, wie du bist. Du bist in Ordnung. Und auch wenn du nicht fühlen oder wahrnehmen kannst, dass du in Ordnung bist, bist du es trotzdem, denn:

in Ordnung sein bedeutet, dass du nur so sein kannst wie du eben bist. Und es wird dir nicht helfen, zu denken: ich muss ruhiger werden, geselliger sein, freundlichere Gedanken haben und mich selbst lieben.

Stelle dir vor, ab morgen finden dich alle Menschen, denen du begegnest, völlig in Ordnung. Sie sagen und zeigen es dir. Sie wenden sich nicht ab, wenn du wütend wirst. Sie bewerten dich nicht, wenn du unsicher bist. Sie haben keine Erwartungen, mit denen sie dich anders haben wollen. Du bist schlecht gelaunt und es ist ok für sie. Es stört keinen. Dann ist die schlechte Laune vergangen und keiner sagt: na das war ja anstrengend mit dir. Du weinst und niemanden beklemmt es. Niemand nörgelt an dir herum oder hält dir etwas vor. Sie sind einfach da und finden dich in Ordnung.

So, wie im Leben alles wird und vergeht, so kommen und gehen auch die Zustände in deinem Inneren, wenn du sie lässt.

Wenn etwas kommt, wehrst du es nicht ab. Und du hältst nicht fest, wenn es wieder geht. Du bist eben du, so, wie es sich eben gerade zeigt. Du kannst nicht anders sein, als so, wie du bist. Du kannst ja mal versuchen anders zu sein, als du bist. Das ist anstrengend und du musst dich sehr konzentrieren. Am Ende bist du immer noch, wie du bist und versuchst zudem noch anders zu sein.

Es gibt also nichts zu ändern. Sei, wie du bist. Beobachte es und lausche in dich hinein, während du, du selbst bist. Sei offen für all das, was du bist. Schon bald wirst du erleben, dass alle Zustände in dir kommen und auch wieder gehen. Es ist ein unaufhaltsames Fließen. Etwas erscheint und taucht wieder ab. Du weißt nicht, was kommt, wie lange es bleibt und wann es wieder geht. Aber du kannst dir die Zeit nehmen, es zu betrachten und bemerken: ah, da ist Freude und du kannst diese Freude sein. Dann ist sie wieder weg. Auch gut. Du kannst zuschauen, wie sich Spannung in dir breit macht. Dann sind da Spannungen. Du spürst sie und plötzlich ist da auch Schmerz, Angst oder Traurigkeit. Sie sind da und gehen auch wieder. Bleib bei ihnen. Spüre sie. Bleib einfach immer nur bei dir.

Mache aus keinem Ausdruck, der sich in dir zeigt ein: So bin ich! oder ein: So sollte ich nicht sein! Lass sie kommen und wieder ziehen. Sei ganz wach mit alledem, was du gerade bist. Wehre dich nicht und halte nichts fest.

Mit der Zeit wirst du spüren, dass du mit dieser wachen aufmerksamen und etwas unpersönlichen Liebe (weil sie nichts will und bewertet) einen Raum aufmachst, in dem du wirklich gut aufgehoben bist. Schon bald wird ein spontaner authentischer Ausdruck, jenseits von alten Mustern und Verletzungen, frei durch deinen Körper fließen können. Vielleicht kann die selbstwahrnehmende Präsenz eine Form von Selbstliebe in deinem Alltag werden. Einfach ganz wach und anwesend sein, bei allem, was du tust. Das genügt. Und schon praktizierst du die höchste Form der Liebe an sich, eine, die alles lässt, wie es ist und gleichzeitig alles verschlingt, was ihr nicht gleicht.

VonJudith Mücke

Depression – Teil II – seelische Unterdrückung

DSCF4585Bei einer Depression nehme ich auf der Gefühlsebene meiner Klienten einen oder mehrere der folgenden drei Aspekte wahr:

  • Trauer, Traurigkeit oder seelischer Schmerz werden absichtlich unterdrückt und verdrängt, bis sie nicht mehr gefühlt werden

  • Schock, plötzlicher Verlust oder ein zu großer seelischer Schmerz haben sich als Trauma abgespalten und abgekapselt

  • unverarbeitete Ereignisse aus der Familie (transgenerative Traumata) überfluten den inneren Raum einer Person

Abneigung gegen das Fühlen

Traurigkeit, Weinen und Co ist nicht jedermanns Sache.

Oft besteht eine regelrechte Abneigung gegenüber solcher Emotionen, bis hin zur Unfähigkeit, sie überhaupt noch fühlen zu können. Bei näherer Untersuchung stellt sich immer wieder heraus, dass die Person selbst, in der Regel bereits als Kind oder spätestens in der Pubertät, entschieden hat, solche Gefühle nicht mehr fühlen zu wollen. Die Gründe dafür können folgende sein:

  • es gab keinen Erwachsenen, der Trost geben konnte

  • das Kind wollte keinen zusätzliche Belastung sein, denn es spürte, dass seine Eltern bereits genug belastet sind

  • schmerzhafte Gefühle waren dem Kind einfach zu unangenehm, weil es sehr sensibel ist und daher alles viel stärker spürt

  • die Mitmenschen haben nicht auf „richtige“ Weise getröstet, nicht liebevoll oder nicht geduldig genug

  • das Kind konnte spüren oder erleben, dass Weinen nicht erwünscht war

  • Traurigkeit und Tränen wurde als Schwäche oder als Peinlichkeit gewertet

Haben wir erst einmal entschieden, nicht mehr fühlen zu wollen, dann werden wir im Laufe der Jahre immer besser darin. Die Gefühle existieren dann zwar noch, doch wir fühlen sie nicht mehr, weil wir einfach nicht mehr im Kontakt mit ihnen sind. Wir sind innerlich abgewandt, interessieren uns nicht dafür, fühlen uns für unsere Gefühlswelt nicht verantwortlich, sind genervt, eher oberflächlich, unruhig und werden süchtig danach, uns abzulenken. Es gibt jedoch immer wieder Auslöser, die unsere gut verdrängten Gefühle an die Oberfläche schnellen lassen. Völlig unerwartet fühlen wir uns dann für einen Moment ganz furchtbar, bis wir uns wieder genug von uns selbst distanziert haben. Und wenn wir gefragt werden, was wir fühlen, dann sagen wir: alles bestens, mir geht’s gut. Und genauso fühlt sich das dann auch an, denn der Zugang zum Gefühl ist einfach nicht mehr da. Viele unverarbeitete zusammengeballte Gefühlsknäule liegen dann in unserem Inneren und werden als Schwere, Leblosigkeit, Last, Orientierungslosigkeit, Mangel an Vitalität und Entscheidungsunfähigkeit oder eben als sogenannte Depression in unserem Alltag erlebt.

Um diesen Zustand ändern zu können, brauchen wir erst einmal eine Entscheidung, die sich ungefähr so anhören könnte:

Ich will wieder fühlen.

Ich bin bereit, mich meiner Gefühlswelt zu zu wenden und für sie verantwortlich zu sein.

Ich möchte mich fühlen – meine Tiefen, den alten Schmerz auch die Verletzungen und die tiefe Liebe, meine Sensibilität, Verbundenheit und die Lebendigkeit meiner Seele …

(praktische Tipps dazu siehe Artikel: Vom Umgang mit dem inneren Kind)

Traumata

Während ein Trauma entsteht – oft in nur wenigen Sekunden – wird unsere Seele fragmentiert. Der traumatisierte Teil ist dann innerhalb der Persönlichkeit nicht mehr mit den anderen Persönlichkeitsanteilen verbunden. In ihm werden Gefühle und Erinnerungen eingeschlossen und abgekapselt. Ein anderer Persönlichkeitsanteil bewacht diese Abspaltung gut und ein weiterer Anteil versucht normal weiter zu leben. So kann man sich das vereinfacht vorstellen. Das ist eine gut funktionierende und überlebenswichtige Strategie unserer Persönlichkeit. Ein Trauma kann sich in uns, ähnlich wie unterdrückte Gefühle als Depression bemerkbar machen. Vor allem, wenn mit zunehmenden Alter (40 aufwärts) die Vitalkräfte nachlassen oder noch weitere Schicksalsschläge hinzukommen, dann brauchen wir viel Kraft, die uns jedoch nicht mehr so zur Verfügung steht. Neben vielen anderen Symptomen, können Erschöpfung, Schwere, Unlust und Antriebslosigkeit uns das Leben dann schwer machen.

Mit einem Trauma sollten wir uns immer in die Hände eines erfahrenden Therapeuten begeben. Hier ist zum Beispiel eine körperbezogene Therapie sehr hilfreich. Wenn unsere Seele ihre alten Erinnerungen und Gefühle frei gibt, sollten wir damit nicht allein sein, sondern den Halt, die Liebe und die Unterstützung von Außen bekommen, die uns während der traumatisierenden Erfahrung gefehlt hat.

Transgenerative Traumata – siehe Artikel Systemische Belastungen

VonJudith Mücke

Depression – Teil I – geistige Unterdrückung

DSCF4577Beim Depressiv-Sein geht es immer um Formen von Unterdrückung. In meiner täglichen Praxis nehme ich depressive Zustände auf drei möglichen Ebenen wahr:

  • geistig: als quälende entmutigende abwehrende Gedanken

  • emotional: als unterdrückte verdichtete festgehaltene Gefühle

  • körperlich: als Erschöpfung, Entzündungen, Schmerzen, Schlaflosigkeit, Antriebs- und Kraftlosigkeit

Depression auf der geistigen Ebene

Wir erzeugen permanent Gedanken. Die Qualität unserer Gedanken hängt davon ab, wie wir geprägt wurden und welche Einflüsse wir in unserem Leben zugelassen haben. Aber auch davon, ob wir es gelernt haben, unsere Gedanken bewusst wahrzunehmen und sie zu steuern. Zwischen zerstörerischen, quälenden, entmutigenden, abwertenden, hinderlichen, schlechten, ablehnenden sowie abwehrenden Gedanken und aufbauenden, angenehmen, wertschätzenden, optimistischen, wohlwollenden sowie konstruktiven Gedanken, liegt ein weites Feld an qualitativen Möglichkeiten, die wir nutzen können. Während einer geistigen Depression haben wir uns für eine Ecke dieses Feldes entschieden: den negativen Bereich und unterdrücken von dort aus alle anderen geistigen Qualitäten. Hier klammert sich unser Verstand an Gedanken, die der Abwehr, der Verteidigung, dem Rückzug, der Abgrenzung, der Kampfbereitschaft und der Auflehnung dienen. Diese Gedankenformen sind nicht schlecht. Es gibt viele Situationen, in denen solche Gedanken absolut angemessen und authentisch sind. Doch wenn wir in ihnen steckenbleiben und uns selbst, dem Leben und unseren Mitmenschen unentwegt auf diese Weise begegnen, dann schaden uns derartige Gedanken indem sie uns unsicher, ängstlich, handlungsunfähig und traurig machen.

Um unser Denken aus der Negativecke heraus zu bekommen, können wir erst einmal wahrnehmen, was unser Verstand unentwegt produziert, indem wir ihm zuhören. Wir können auch darauf achten, was wir selbst sagen, wenn wir uns mit anderen Menschen unterhalten. Außerdem ist es sinnvoll zu hören, was wir um uns herum an Negativität aufnehmen. Umgeben wir uns mit Menschen, die alles schlecht machen? Entscheiden wir uns für Sendungen im Fernseher oder im Netz, in denen es um Elend, Krieg und Unglück geht? All diese Einflüsse füttern unseren Geist mit Negativität und motivieren unser Denken, deprimierende Gedanken zu produzieren. Haben wir heraus gefunden, welche Gedankenformen wir unbewusst bevorzugen, dann können wir unseren Verstand darauf aufmerksam machen, dass wir das so nicht mehr wollen.

Immer, wenn Ihnen auffällt, dass Sie aus alter Angewohnheit destruktive Gedanken erzeugen, dann sagen Sie zu der denkenden Stimme in ihrem Kopf: „Hey du, hör auf damit. Das stört mich. Es entmutigt, beklemmt und stresst mich.“ oder einfach nur: „Stopp, lass das.“ Sie werden bemerken, dass Ihr Denken sofort unterbrochen wird. Es entsteht eine Gedankenlücke. Jetzt können Sie ihrem Verstand Alternativen anbieten, denn wenn Sie das nicht tun, dann greift er gleich wieder nach den üblichen und bekannten Gedankenmustern. Sie können ihren Verstand beauftragen, den Tag zu planen oder ihn überlegen lassen, was Sie tun können, um sich heute etwas Gutes zu tun. Sie können ihm auch Fragen stellen. Zum Beispiel: „Warum führst du ein Gespräch weiter, das bereits beendet ist? Warum denkst du über andere Menschen nach und über Situationen, die du nicht ändern kannst? Warum malst du dir die Zukunft so finster aus? Woher weißt du denn, was passieren wird? Du kennst doch nur das, was hinter mir liegt?“

Helfen Sie Ihrem Verstand mit Fragen, um ihn aus seinen Grübeleien heraus zu begleiten: „Womit mache ich mir selber das Leben schwer? Was brauche ich, dass es mir in diesem Lebensbereich besser geht? Was will mich diese Situation lehren? Was gibt es zu lernen? Welchen Nutzen ziehe ich aus meinem Problem? Was hätte mir ein alter weiser Mann dazu zu sagen? Was will ich beweisen oder wo will ich meinen Willen durchsetzen? Will ich überhaupt etwas ändern? Welche Schritte wären nötig? Bin ich bereit sie zu gehen? Was wünsche ich mir am meisten? Wie kann ich meine Meinung und meine Bedürfnisse äußern, ohne anzugreifen oder zu fordern? Wie fühlt es sich an, wenn ich streng mit mir bin? Was nutzt mir mein hoher Anspruch: Gibt er mir Sicherheit? Will ich dadurch Liebe bekommen? Oder Anerkennung? Was fühle ich gerade?

Solange unser Geist keine dienende Haltung eingenommen hat, mit der er einen Weg ebnet, auf dem unsere Lebenssituationen sich zu unserem Wohle verändern kann, braucht er unsere Hilfe und Unterstützung. Wenn er autonom und abgegrenzt ist und unbewusste Monologe führt, dann führt uns das in Konflikte und erhält Lebenssituationen, die uns unglücklich machen. Wir brauchen gar nicht so sehr an unserem Denken herumdoktern, es reicht völlig aus, wenn wir es einfach nicht immer so allein vor sich hin plaudern lassen. Also: Immer mal „hallo“ nach oben sagen, wenn unser Geist mal wieder vernichtend oder pessimistisch auf unsere Realität reagiert.