Unsere inneren Kinder brauchen, wenn sie seelischen Schmerz in sich tragen, immer mal wieder unsere tröstende Zuwendung. Oder die einer anderen Person. Vor allem dann, wenn alter Schmerz in uns aufsteigt. In der Regel passiert dies ganz unerwartet in unseren Beziehungen. Unsere nahen Mitmenschen verhalten sich oft instinktiv auf eine ganz bestimmte Weise, die bewirkt, dass sich in uns alter Schmerz löst, sich ausdehnt und für uns fühlbar wird. Dann denken wir meistens, dass derjenige uns in diesen Momenten verletzt, das fühlt sich genauso an, doch das ist meistens nicht wirklich so.
Das Verhalten unserer Mitmenschen ist nicht die Ursache, sondern immer nur der Auslöser. Wenn wir im Kontakt plötzlich seelischen Schmerz, Einsamkeit, Verlustangst oder Trauer spüren, dann sind dies alte, von uns selbst begrabene Gefühle, die in diesen Momenten unverhofft erwachen. Übernehmen wir die Verantwortung für unsere Gefühle, dann könnte dies so aussehen:
Während du so bist, wie du eben bist, spüre ich wie viel Schmerz in mir ist, wie einsam ich mich eigentlich fühle, wie viel Angst und Trauer in mir steckt. Bitte lass mich dir davon erzählen. Vielleicht kannst du mich mal in den Arm nehmen, dann kann ich es besser aushalten, während ich es weiter zulasse, mich zu fühlen. Oder: Ich spüre gerade einen großen Schmerz. Der ist alt und schon lange in mir. Du hast ihn nur ausgelöst. Bitte lass mich jetzt allein, so dass ich mich darauf einlassen kann, um dir dann wieder klarer begegnen zu können.
Eine andere Möglichkeit, in der sich alter Schmerz zeigen kann, ist, wenn wir uns absichtlich darauf einlassen. In Therapie- oder Beratungssituationen, durch Selbstwahrnehmung, Achtsamkeit oder Meditation. Jede Form, durch die wir uns selber näher kommen, kann dazu führen, dass wir überraschend längst vergessenen Gefühlen begegnen. Beziehungen zu anderen Menschen, bestimmte Situationen oder Sinneseindrücke eignen sich jedoch am besten, da sie unseren alten Schmerz blitzschnell und heftig, vorbei an unseren Kontrollinstanzen und inneren Beschützern, an die Oberfläche bringen können.
Haben unsere Eltern selber keinen Trost bekommen, dann werden sie in Situationen, in denen wir Trost brauchten, schnell überfordert gewesen sein. Anstatt uns zu trösten, haben sie vielleicht auf unterschiedlichste Weise versucht, uns von unserem seelischen Schmerz abzulenken oder sie wurden streng, um den Ausdruck unseres Schmerzes auf diese Art zu unterbinden. Seelischer Schmerz braucht einen liebevollen warmen standhaften Raum, in dem er sich ausbreiten kann, bis er sich aufgelöst hat. Trost kann in einer Art seelischer Umarmung, auch in einer körperlichen, diesen Raum bieten. Wenn wir uns oder eine andere Person trösten wollen, dann brauchen wir eine entsprechende innere Haltung. Diese sollte vor allem wertfrei, geduldig, weich und herzlich sein. Sie sollte jede schmerzhafte Welle, die aufsteigt, jede Träne, jeden Laut und jede Regung von Herzen begrüßen, in dem Sinne: Sei willkommen, schön, dass du dich zeigst. Ich bin da für dich und halte dich, egal wie heftig es wird und wie lange es auch dauern mag.
Zuversicht
Auf seelischen Schmerz, auf Unsicherheit oder Angst reagieren wir auch gern mal mit Sorge, Strenge oder Ignoranz. Sorge ist eine sehr deprimierende Form der Zuwendung und wird leider oft als liebende Anteilnahme verkannt. Es ist in Wirklichkeit ein entmutigendes Mitleiden und daher nicht sehr hilfreich. Wenn jemand mit Strenge und Druck auf alte Gefühle reagiert, die aufsteigen und nach Heilung suchen, dann bewirkt dies noch tiefere Verletzungen oder führt zu einer stärkeren Unterdrückung und Abspaltung. Oft wird Strenge zum Selbstschutz eingesetzt oder ganz pragmatisch, um weiter funktionieren zu können. Auf unsere Innere-Kind-Ebene wirkt Härte und Gewalt jedoch erdrückend und Angst einflößend und ist überhaupt nicht hilfreich. Ignoranz ist eine kalte indirekte Form der Gefühlskontrolle. Hier wird eher Abstand gesucht. Den unliebsamen Gefühlen wird der Rücken zugekehrt. Sie werden unliebsam und gleichgültig weggeschoben. Auch dieses Verhalten ist nicht sehr dienlich im Umgang mit dem inneren Kind.
Eine bessere innere Haltung im Umgang mit uns selbst ist Zuversicht. Sind wir zuversichtlich, dann glauben wir an uns, wir vertrauen dem Besten und Größten in uns. Wir sagen ja, zu dem, was gerade ist und erkennen es als richtig und gut an, egal, welche Form es angenommen hat. Es ist eine annehmende Haltung, die davon ausgeht, dass jeder unliebsame Zustand sich zum Besseren wenden kann, nur liebend und wertfrei in Empfang genommen werden will. Zuversicht schenkt Hoffnung und Freude. Sie hält das Positive und Gute hoch, sieht Probleme als Chancen, spendet Kraft, sie weitet uns ganz sanft, wenn es eng geworden ist, sie erinnert uns an unseren Wert, stärkt unsere Selbstachtung, sie ist ein Licht in dunklen Momenten und schenkt uns Gelassenheit.
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